Interview mit Mouna Kocherscheidt
Henriette Sauppe: Liebe Mouna, wir kennen dich als engagierte Presbyterin und Leiterin des Familienzentrums Pauluskirchstraße. Wie lange bist du schon in unserer Gemeinde und der Pauluskirchstraße?
Mouna Kocherscheidt: In das Familienzentrum Pauluskirchstraße bin ich 1997 als Anerkennungspraktikantin gekommen und war ab 1998 dann dort Gruppenleitung. Seitdem bin ich sehr gerne dort! Zwischendurch sind 1999 und 2003 meine beiden Söhne auf die Welt gekommen und ich bin nach beiden Elternzeiten immer wieder zurückgekehrt. Seit 2019 habe ich die Leitung der Einrichtung übernommen. Wobei man auch sagen muss, dass ich im Kindergarten Pauluskirchstraße selbst als Kind gewesen bin! Mit der Gemeinde Unterbarmen bin ich seit meinem fünften Lebensjahr verbunden. Meine Mutter ist auch viele Jahre im Presbyterium und in der Gemeinde aktiv gewesen. Mein Vater stammte gebürtig aus Syrien und war mit mir und meinen drei Geschwistern oft mit in der Gemeinde dabei. Ich erinnere mich sehr gerne an die Familiengottesdienste am Hesselnberg und in der Pauluskirche. Zur Pauluskirche habe ich persönlich eine sehr starke Verbindung. Dort bin ich konfirmiert, mit meinem Mann getraut worden und unsere beiden Söhne wurden von Thomas Fuchs getauft.
Henriette Sauppe: Da ist es nicht übertrieben zu sagen, dass du wirklich schon dein Leben lang mit der Gemeinde und Pauluskirchstraße verbunden bist! Hattest du von Anfang an den Wunsch, Erzieherin zu werden?
Mouna Kocherscheidt: Tatsächlich habe ich zuerst eine Ausbildung zur Goldschmiedin gemacht und auch den Gesellenbrief bekommen. Nach einiger Zeit habe ich dann aber für mich entschieden, dass ich das nicht ausschließlich ein Leben lang machen möchte. So habe ich noch einmal die Ausbildung zur Erzieherin gemacht. Mir war es wichtig, mehr mit Menschen und vor allem, mit Kindern zu arbeiten, sehr gerne im sozialen Bereich.
Henriette Sauppe: Wie würdest du die Arbeit untereinander, mit den Familien und Kindern bei euch beschreiben?
Mouna Kocherscheidt: Momentan betreuen wir mit einem Team von neun Personen, darunter eine Praktikantin, 47 Kinder. In den fast 28 Jahren, die ich nun da bin, haben sich die Elternschaft und natürlich auch die Familien immer wieder verändert. Wir sind schon immer eine bunte, vielfältige und multikulturelle Einrichtung gewesen, wobei in den letzten Jahren auch immer mehr Familien mit Fluchterfahrung zu uns gekommen sind.
Die Arbeit läuft mit allen kulturellen Unterschieden nicht immer spannungsfrei ab, aber wir haben ein gutes Miteinander, was von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt ist. Trotz unterschiedlicher Religionen nehmen unsere Familien auch an Gottesdiensten teil, wenn wir beispielweise unseren Abschied mit den Vorschulkindern in der Pauluskirche feiern oder zum 1. Advent den Familiengottesdienst gestalten.
Wir leben hier aus voller Überzeugung unser evangelisches Profil, vermitteln christliche Werte und merken immer wieder, dass das auch den Eltern aus anderen Religionen wichtig ist. Wir stellen keine Religion über die andere, sondern ermuntern die Kinder, auch von ihrem Glauben und ihren Traditionen zu erzählen. Und manchmal ist es tatsächlich so, dass die muslimischen Kinder fast schon mehr biblische Geschichten kennen als Kinder mit einem christlichen Hintergrund.
Pädagogisch arbeiten wir nach der Reggio-Pädagogik. Diese geht von einer ganz bestimmten Haltung zum Kind aus. Die Kinder sind Akteure ihrer eigenen Entwicklung und wir stehen für sie als Partner und Unterstützer an ihrer Seite. Durch unser offenes Konzept haben die Kinder die Möglichkeit, selbstständig zu entscheiden, in welchem Bereich sie etwas tun möchten. Das kann der Bewegungsraum, der Bau- und Konstruktionsraum, der Rollenspielbereich, die Lese-Ecke oder das Atelier sein. Jedes Kind entscheidet selbst nach seinen Neigungen und Interessen, die sehr unterschiedlich sein können. Seit Oktober 2021 sind wir auch noch zusätzlich in das SprachKita-Programm aufgenommen worden, da wir viele Kinder haben, die muttersprachlich aufgewachsen sind. In unserer Leihbücherei, die schon vor meiner Zeit installiert wurde, gibt es inzwischen über tausend Bilderbücher. Auch für die Eltern gibt es inzwischen eine Leihbücherei mit Ratgebern, Sachbüchern und Informationsmaterial zu den verschiedensten Themen.
Henriette Sauppe: Seit einigen Jahren ist die Pauluskirchstraße auch ein Familienzentrum. Was bedeutet das genau?
Mouna Kocherscheidt: Als Familienzentrum sind wir 2009 das erste Mal zertifiziert worden. Dies bedeutet, dass besondere zusätzliche Angebote für Eltern und Familien gemacht werden. Beispielweise kommt bei uns eine Erziehungsberatung ins Haus. Wir haben auch einmal in der Woche mit einer Sozialpädagogin von der Sozialen Arbeit der Diakonie ein Elterncafé und Logopädie findet bei uns in der Einrichtung statt. Es wird bei Formularen geholfen, anstehendem Schulwechsel, Kinderarztsuche usw… Beratung und Unterstützung findet hier im Schwerpunkt und immer im geschützten Rahmen statt.
Gerade sind wir dabei, eine Second Hand-Ecke einzurichten. Dort können in einer Tauschbörse Dinge, wie gut erhaltene Kleidung, Spielzeug und Bücher abgegeben und andere dafür mitgenommen werden.
Henriette Sauppe: Was wünschst du dir für die Zukunft des Familienzentrums?
Mouna Kocherscheidt: Die Einrichtung ist in die Jahre gekommen. Seit Langem gibt es immer wieder Überlegungen, die Pauluskirchstraße zu renovieren und zu sanieren. Dies würde ich mir endlich sehr wünschen!
Auch wenn wir inzwischen in der Trägerschaft der Diakonie sind, ist es nach wie vor so, dass viele treue, alteingesessene Gemeindeglieder immer wieder an uns denken, uns z.B. Materialien zum Basteln für die Kinder vorbeibringen oder wir mit Spenden bedacht werden. Gerade das zeigt mir sehr deutlich, dass wir in der Mitte der Gemeinde stehen und da hoffe ich auf Zukunft und Perspektive für unsere Kinder.
Henriette Sauppe: Und für die Gemeinde?
Mouna Kocherscheidt: Nun bin ich seit einem Jahr Presbyterin und habe in dieser Zeit schon sehr viel erlebt. Ich wünsche mir vor allem ein gutes und konstruktives Miteinander. Dass wir auch bei allen mitunter gegensätzlichen Meinungen zu einem guten Konsens kommen. Ich finde es wichtig, dass auch gerade die jüngeren Menschen vermittelt bekommen, welch ein Gewinn das Leben in der Gemeinde oder auch ehrenamtliches Engagement sein kann. Dies kann einem persönlich sehr viel zurückgeben. Gleichzeitig muss auch immer der Blick darauf gerichtet sein, dass sich gerade dort in den Lebenswelten vieles ständig verändert und von äußeren Einflüssen stark geprägt ist.
Henriette Sauppe: Wenn du einmal nicht Dienst in der Kirche hast oder in der Pauluskirchstraße bist. Was machst du gerne in deiner Freizeit?
Mouna Kocherscheidt: Ich bin gerne in meinem Garten unterwegs, lese von Krimis bis Sachbuch alles querbeet, bin sehr gerne kreativ und gestalte auch jetzt noch, wenn ich denn einmal dazu komme, verschiedenen Schmuck nach meinen eigenen Ideen.
Henriette Sauppe: Liebe Mouna, vielen Dank für das Interview!