Interview mit Alireza Abdollahi
Thomas Corzilius: Lieber Alireza, im Sommer bist Du nun drei Jahre der Küster an unserer Hauptkirche und in unserer Gemeinde. Wie kamst Du zu uns?
Alireza Abdollahi: In den ersten Monaten, als wir nach Deutschland kamen, haben wir zunächst Anschluss gefunden in der Nachbargemeinde Gemarke. Dort haben wir Menschen kennengelernt, die uns unterstützt und geholfen haben. Ich habe mich in der Gemarker Kirche ehrenamtlich engagiert und die Rückmeldung bekommen, dass ich die Voraussetzung hätte, mich irgendwo als Küster zu bewerben. Allerdings hatten meine Frau und ich wenig Deutschkenntnisse. So haben wir erst einmal verschiedene Deutschkurse besucht. Durch unsere Freunde in Gemarke wurde ich dann darauf aufmerksam gemacht, dass aktuell in zwei Gemeinden (Vohwinkel und Unterbarmen) je eine Küsterstelle offen ist. Ich habe mich sofort darauf beworben.
Thomas Corzilius: In Vohwinkel hast Du ja dann auch schnell eine Zusage bekommen, Dich aber für Unterbarmen entschieden – warum?
Alireza Abdollahi: Ich möchte und kann die beiden Gemeinden ja nicht vergleichen – aber nach dem Vorstellungsgespräch und einer Unterhaltung mit Dir hatte ich das gute Gefühl, dass die Küsterstelle in Unterbarmen die Richtige ist, und war froh, gewählt zu werden. Auch bei Herrn Enk und Anderen möchte ich mich herzlich für alle Unterstützung bedanken!
Thomas Corzilius: Dass Du nun als Küster in der evangelischen Kirche und im christlichen Glauben mit uns unterwegs bist, das interessiert uns natürlich auch. In Deiner Heimat gibt es ja eine strenge, islamische Gesellschaft. Wie bist Du, wie seid Ihr, zum christlichen Glauben gekommen?
Alireza Abdollahi: Im Iran haben Menschen, die Christen sind, nicht die Freiheit und Offenheit wie hier. Manche praktizieren heimlich ihren Glauben. Durch eine Freundin meiner Frau sind wir mit einer der Gemeinden dort in Kontakt gekommen und haben dann auch an ihren Gottesdiensten teilgenommen, die privat stattgefunden haben. Hier in Deutschland haben wir uns dann taufen lassen.
Thomas Corzilius: Das Miteinander in unserer Gesellschaft und im Alltag ist – gerade auch im Blick auf unterschiedliche Beheimatungen, Nationalitäten, kulturelle Unterschiede – nicht spannungsfrei. Integration, Kriegsflüchtlinge, Willkommenskultur, aber auch Ausländerfeindlichkeit – so heißen die Stichworte. Wie erlebst Du, wie erlebt Ihr, das persönlich?
Alireza Abdollahi: Ich persönlich habe noch keine Anfeindungen oder Übergriffe erlebt. Aber ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation in der Schwebebahn, wo ein Junge ausländischer Herkunft bedrängt und beschimpft wurde. Gott sei Dank gab es Menschen, die sich vor ihn gestellt und ihm geholfen haben. Ehrlich gesagt, mache ich mir aber Sorgen um unsere Tochter, wenn sie in die Schule kommt. Wie wird man sie dort behandeln? Aber ich weiß ja, dass es überall gute und schlechte Menschen gibt.
Thomas Corzilius: Leider hat Corona ja bislang auch unser Kirchen- und Gemeindeleben – wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft – eingeschränkt und zum Teil aus den gewohnten Bahnen geworfen. Wie hast Du das im Rückblick auf die letzten zweieinhalb Jahre erlebt? Und wie war das für Dich als Küster und für Euch im Erleben der Gemeinde?
Alireza Abdollahi: Leider sind ja alle von der Krise betroffen, so auch wir. Im ersten Jahr des Lockdown war es besonders schwierig, weil keine Gottesdienste, Veranstaltungen und Feiern stattfinden konnten. Es war für mich schwer, die Kirche leer zu sehen! Auch familiär war es, nach der Geburt unserer Tochter im März 2020, schwierig. So hat Corona auch bis heute verhindert, dass meine Eltern zu Besuch kommen und wir uns wiedersehen. Seit vier, fünf Jahren haben wir unsere Eltern nicht gesehen – das ist schwer.
Thomas Corzilius: Was wünschst Du Dir und uns zum Schluss unseres Interviews?
Alireza Abdollahi: Ich wünsche uns zurzeit vor allem, dass wir den Krieg gut überstehen und den unmittelbar Betroffenen Mut und Gottes Segen. Hoffentlich gibt es noch eine friedliche Lösung, und hoffentlich hört das Blutvergießen bald auf. Ich hoffe auch, dass die ganze Welt zum Frieden kommt, egal, wo Menschen leben.
Thomas Corzilius: Lieber Alireza, wir sind froh und dankbar, Dich und Deine kleine Familie bei uns zu haben. Danke für Deine Arbeit und das gute Miteinander!