Predigt 23.6.2019

Predigt 23.6.2019

 

Heute ist im Ablauf des Kirchenjahres der 1. Sonntag nach Trinitatis und über die Sommerzeit hinweg werden in der Zählung nun viele Sonntage nach Trinitatis folgen.

Jeder unserer Gottesdienste beginnt mit der sog. Trinitarischen Eröffnung – im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Wir nehmen sie als vertraute, christlich-tradierte, später von uns im apostolischen Glaubensbekenntnis entfaltete Formel, die ihre Richtigkeit und ihren Platz hat. Sie zu verstehen oder erklären zu können, ist eine andere Frage. Und für unser praktisches Leben scheint sie so wenig relevant wie eine chemischer Formel oder die Frage nach einer fremden Grammatik.

Aber wir haben es zumindest gelernt und setzen es irgendwie als richtig voraus, dass unser Glaube an den einen Gott, monotheistisch geteilt mit Judentum und Islam, sich entfaltet in drei Richtungen.

Vater, Sohn und Heiliger Geist.

…..

Wie wirs auch drehn und wenden:

Wer oder was ist gemeint, begegnet uns, wenn wir das Wort „Gott“ benutzen – in all den vielen Sprachen, die es auf dieser Welt gibt?

Und im Gottesdienst nicht nur in der 3. Person, sondern im „Du“ und in der Anrede mit Gebeten und Liedern?

Im zweiten Buch Mose lesen wir, dass Gott – der Gott, den die Bibel uns bezeugt – Mose beruft, die versklavte Gruppe der Hebräer aus der Sklaverei und Knechtschaft in Ägypten zu befreien. In der Steppe, beim Schafehüten, begegnet diese göttliche Wirklichkeit diesem Mose.

Und dann heisst es:

Und wenn sie mich fragen, die Israeliten: Wer hat Dich gesandt? In wessen Auftrag redest Du mit uns? Was soll ich ihnen antworten? – Und Gott sprach: Sage ihnen, der ‘Ich bin’ hat mich zu Euch gesandt!“ (Exodus 3,14)

Diese Stelle redet von einer Selbstoffenbarung, die im biblischen Kontext enfaltet wird als die Selbstoffenbarung des Gottes Abrahams, Isaaks & Jakobs, und die übersetzt werden kann mit einem „Ich bin und bleibe der Unverfügbare, der aber für Euch verlässlich ist und der sich an Euch erweisen wird!“

Doch was ist letztlich Gottes Name?

Was ist geworden in der Welt aus dem Wort „Gott“?

Wie verläuft die Linie von der Selbstoffenbarung Gottes hin zu „Vater, Sohn und Heiigem Geist“ und hin zu dem, was in der Welt, in der Geschichte, in der Gegenwart geworden ist und immer wieder wird, wenn Menschen Gott sagen, denken, verneinen oder anrufen?

…….

In meinem gerade zurückliegenden Urlaub habe ich ein Buch gelesen mit dem Titel „Der Tag, an dem Gott nicht mehr Gott heissen wollte“.

Und von diesem Buch möchte ich heute und hier in der Predigt erzählen.

Geschrieben hat es Jens Böttcher, ein Musiker und Schriftsteller.

Und es ist ein gutes Buch mit einer gesunden Mischung aus Humor und Tiefsinn, christlich fundiert und freigeistig zugleich.

Die Grundidee basiert darauf, dass Gott beschließt, wieder mal auf die Erde zu kommen, und einem jungen Mann zu begegnen, der Leon heisst, Anfang 40 ist, und recht frustriert, z.T. sogar depressiv und lebensmüde im Leben steht.

Und dann heisst es:

Gott sagte mit tiefem Ernst zu Leon: „Ich brauche Deine Hilfe! Denn ich möchte meinen Name zurück! Ich möchte nicht, dass die Menschen mich länger Gott nennen!“

Leon schluckte und guckte Gott verdutzt an.

Es ist ja nur ein Wort“, sprach Gott, „das ich mir nicht ausgesucht habe. Und es gefällt mir nicht. Für eine Weile war es erträglich, doch es hat schrecklichen Schaden angerichtet. Es sagt nicht, was es sagen sollte. Es wurde so oft missbraucht. Die Zeit für Veränderung ist gekommen.“

Leon ist immer noch perplex und Gott sagt weiter:

Dises Wort klingt mittlerweile so unbarmherzig, schroff und unnahbar. Alles, was iin dem Wort mitschwingt, klingt jetzt nach männlicher Herrschaft undnach Ignoranz der Milde, des Warmherzigen, auch des Weiblichen und Vereinten. Es klingt nach Strafe, Gericht, nach Enge, nach Krieg … Doch ich bin da Gegenteil von alldem. Ich bin Bewegung, Schönheit, Liebe. Ich möchte den Menschen begegnen. Ich möchte, dass sie meine liebevolle, begnadigende Gegenwart spüren …“

……

Machen wir uns heute Morgen, an diesem 1. Sonntag nach Trinitatis, nocheinmal bewusst, wo wir nun im Ablauf unseres Kirchenjahres sind.

Denn mit dem vergangenen Sonntag ist uns grundgelegt, in welchem Sinne wir in dieser Welt von Gott reden, Gott glauben, Gott vertrauen und mit Gott leben dürfen.

  • Wir schauen zurück auf sein Kommen in dem schwachen, verwundbaren Krippenkind – im Advent als Friedefürst & Gnadenbringer besungen und erwartet – und dann zu Weihnachten gefeiert – mit der Botschaft: „Friede auf Erden“ – allen Kaisern und brutalen Machthabern zum Trotz.
  • Wir lernen ihn kennen als den, der uns als Bergprediger ruft zu einem anderen Leben, Denken und Tun – weg von all den Wegen, die uns Unheil bringen – und der heilt, verbindet, tröstet und aufrichtet – und vertrauensvoll „Abba“ genannt sein darf.
  • In der Passionszeit und zum Karfreitag sehen ihn im Gekreuzigten, der die Welt mit sich versöhnt – und in seinem Mitleiden und Verwundetsein mit uns – in einer blutenden Welt.
  • Am Ostermorgen haben wir das Licht und die Liebe der der göttlichen Wirklichkeit jubelnd besungen, die alle Gräber übersteigt.
  • Und schließlich – zu Pfingsten – feiern wir die Ausgießung des Geistes, der in dieser Welt als „Liebe & Frieden, Versöhnung & Barmherzigkeit“ am Werke ist und mit ihm alle, die Religion nicht missbrauchen für Macht & Gewalt.

Mit dieser Grundlegung und diesem Horizont entlässt uns das Kirchenjahr nun in die kommenden Wochen und Monate „nach Trinitatis“.

Und fragt uns und die Christenheit:

Was hat all unser Feiern und Bedenken, Besingen und Bekennen dieses Festkreises von Advent bis Pfingsten letztendlich für heilende und heilsame, für tröstende und motivierende Wirkung – in Eurem Leben, Eurem Miteinander und Eurem Blick auf die Welt?

Hat es Wirkungen?

Entfaltet es sich?

Lebt ihr damit auch wirklich Euer Leben?

In dem Buch, meiner Urlaubslektüre, wo Gott, der nicht mehr Gott heissen möchte, und dem Leon begegnet, geht es wie folgt weiter:

Gott sagt: Ich möchte nicht, dass ein falscher Name dem entgegensteht, was ich tatsächlich bin, nämlich Licht, Liebe und Frieden. Und niemand soll es je wieder wagen können, meinen Namen für sich alleine zu beanspruchen. Mein neuer Name möge leuchten wie der Sternenhimmel – die Menschen in Sanftmut und Barmherzigkeit umarmen – alle Seelen wärmen – vereinen, statt zu trennen – Angst nehmen – und Gnade in sich tragen …’“

Und dann notiert Leon in sein Tagebuch folgende Notiz: „Und was möchtest du dabei von mir?’ fragte ich mit aufrichtig empfundener Demut.

Und er antwortete: ‘Dass du mich taufst’!

An dieser Stelle habe ich ersteinmal innegehalten und gestutzt.

Nicht getauft werden im Namen Gottes – sondern Gott einen neuen Namen geben und ihn taufen?

Ist das nicht ein schräger Gedanke?

Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, um so mehr fand ich diesen Gedankengang eine treffliche, wenn auch unorthodoxe Formulierung unserer Berufung – nämlich die Wirklichkeit Gottes – die wesensmäßig Liebe, Gnade & Barmherzigkeit ist – auch in die Welt zu tragen.

Gegen allen Missbrauch, alle Verfehlung und alle Verfälschungen dessen, was Menschen aus der Vokabel ‘Gott’ gemacht haben.

Und ihn damit zu segnen.

Ihm den Namen zu geben, der seine Wirklichkeit wiederspiegelt.

Ihn zu ‘taufen’ – im Sinne von annehmen, bewahren und behüten.

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Doch was ist nun letztlich Gottes Name?

Jüdischer Glaube spricht ihn nicht aus – und nennt ihn Adonai oder eben HaSchem, der Name, der unverfügbar und heilig bleibt.

Abba, Papa, Vater im Himmel nennt ihn Jesus – und wir mit ihm.

Und unzählige Namen hat er bekommen – 99 kennt der Islam, andere Kulturen und Religionen haben ihre Namen für den Einen und zugleich Vielfältigen.

Denn Vielfältig ist er.

Vielfältig ist die göttliche Wirklichkeit.

Dreifaltig nach christlichem, trintarischen Bekenntnis.

…..

Und damit komme ich zum Schluss der Predigt heute und zur Pointe meiner Urlaubslektüre:

Denn der Name, den Gott, im Buch von Jens Böttcher von Leon bekommt ist kein Singular, sondern ein Plural.

Nicht der Liebende, nicht die Liebe – sondern:

‘Die Liebenden – Das ist sein Name. Er ist die Liebenden. Diesen Namen werde ich ihm bringen.’, dachte Leon,’ Denn in diesem Namen ist alles enthalten: Vater. Mutter. Beziehung. Zueinander. Miteinander. Trost. Hoffnung … Alles, was uns Menschen und aller Schöpfung Sinn gibt.’

Und Gott antwortete:’ Wie unbeschreiblich schön es klingen wird, wenn dieser Name in allen Sprachen der Welt ertönt … Niemand wird in diesem Namen Krieg führen können, um jemanden zu unterdrücken, um jemanden auszugrenzen, um damit Macht auszuüben, die niemandem zusteht. Niemand wird unter dem Banner dieses Namens Gewalt ausüben können. Ich danke dir, Leon.“

Und auch, wenn das eben Erzählte eine Fiktion ist, scheint es mir gut zu passen zu diesem 1. Sonntag nach Trinitatis. Und als Wegweisung für all die kommenden Sonntage nach Trinitatis – 20 insgesamt – bis Ende Oktober.

Thomas Corzilius