Liebe Konfirmandinnen & Konfirmanden.
Liebe Familien & Gäste,
liebe Gottesdienstgemeinde!
„Haben wir auch alles eingepackt? Hast Du nichts vergessen? Guck lieber nochmal nach!“ – Wo immer wir auf Reise gehen, tun wir gut daran, unsere Koffer und Reisetaschen nochmal daraufhin zu prüfen, ob alles komplett ist.
Und vielleicht denken Eure Familien heute morgen auch nochmal daran, wie das war, als Ihr „jungen Männer & Frauen“ vor Jahren eingeschult wurdet – und Ihr selbst an die erste Zeit, wo ihr morgens (erst noch an der Hand und begleitet, dann alleine) mit Tornister oder Rucksack in Eure Grundschule gegangen seid – und jeden Morgen hieß es vor dem Schulweg: Pausenbrot, Sportsachen, Federmäppchen, Schulhefte – „Haben wir auch nichts vergessen, Mama?“ – Was für ein blödes Gefühl, wenn alle ihre Sachen dabei haben, nur ich nicht.
Oder die erste Klassenfahrt oder unsere Konfi-Wochenenden in Haus Friede … „Hast Du auch alles?“ ruft es von irgendwoher. Und ihr reagiert schon genervt: „Maaaan, ja, das fragst Du jetzt schon zum 10 Mal … Ich bin ja nicht blöd!“
Heute, am Tag Eurer Konfirmation, beginne ich mal meine Predigt mit diesem Gedanken – und Ihr merkt gleich warum.
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Anderthalb Jahre liegen nun hinter Euch, hinter uns auf einem gemeinsamen Weg, wo ihr neben Schule, Familie, Freizeit, Sport, Musikschule, Nachhilfe und Zahnarztterminen, auch noch dienstags hier in die Kirche gekommen seid und einmal monatlich auch in den Gottesdienst der Gemeinde.
Anderthalb Jahre Beschäftigung mit dem christlichen Glauben und der Frage: Was haben das Vater Unser, die 10 Gebote, das apostolische Glaubensbekenntnis und der Psalm 23 mit unserem, mit Eurem Leben zu tun?
Alle Erwachsenen, die hier sitzen – Eure Eltern und Familien – haben Euch Lebenszeit und Lebenswege, Lebenserfahrungen und Lebensentscheidungen voraus, die auf Euch noch warten.
Nicht wenige, vermute ich, sind selber getauft, konfirmiert, gefirmt, zur Kommunion gegangen.
Heute all dem gegenüber dankbar, skeptisch, distanziert oder im Einklang damit, je nachdem.
Im Rückblick auf die religiösen, kirchlichen Rituale, ist ja Vieles möglich.
Und ich plädiere immer dafür – bei aller Feierlichkeit eines solchen Tages und Festes – nüchtern und sachlich hinzuschauen, was es denn am Ende ist, was da in den Rucksack, in die Reisetasche, in den Koffer gekommen ist für den weiteren Lebensweg – und damit meine ich jetzt nicht Eure Geschenke zur Konfirmation.
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Die Zeit mit Euch, das dürfen wir – Gudrun Haarmann und ich und die Teamer, die auf den drei Wochenden mit Euch waren – war eine gute Zeit.
Ihr ward eine gute Gruppe.
Natürlich hat’s hier und da mal kurz gekracht, war nicht jede Stunde ein Brüller, gab es auch Unlust und Nervereien.
Aber insgesamt – und ich glaube, so habt Ihr’s auch selbst erlebt – war es keine schlechte Zeit.
Wir fanden es supergut und bereichernd, mit Dir, Hannah, unterwegs gewesen zu sein – und Deinen Wunsch nach „Musik, Musik“, den haben wir mit Gitarre und Liederbuch fröhlich erfüllt.
Und Ihr ward vorbildlich in der Gemeinschaft miteinander – das darf ich hier ausdrücklich sagen – und mich an dieserStelle auch bei Joline und Mara bedanken: Ihr habt irgendwie so selbstverständlich zu unserem Team, sei es Dienstags oder an den Wochenenden, gepasst ….
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Doch jetzt nochmal zu meinem Predigteinstieg.„Haben wir auch alles eingepackt? Hast Du nichts vergessen? Guck lieber nochmal nach!“
Die Frage jedenfalls, die uns doch alle – als Einzelne und in der Gesellschaft und global – in den Blick kommt, lautet wohl:
Brauchen wir für die weitergehende Reise, die weiteren Wege unseres Lebens – Eures Lebens! – in dieser Welt auch Religion?
Damit Ihr einen guten Weg ins Leben geht, bekommt Ihr ja Einiges mit auf den Weg: Von Zu Hause, Euren Eltern und Familien, in Euren Schulen & Klassen, von Euren Lehrerinnen und Lehrern …
Auch die Medien, die Industrie & Werbung, und mit wem auch immer Ihr zusammen seid – alle packen etwas dazu, nach dem Motto: „Nicht vergessen! Das wirst Du brauchen! Das musst Du unbedingt dabei haben!“
Und dann – zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr – die Kirchengemeinde mit dem Angebot von Konfirmandenunterricht.
Längst sind die Zeiten vorbei, wo es selbstverständlich war, daran teilzunehmen.
Wo man gezwungen und geschickt wurde, durch Eltern, Tradition oder gesellschaftliche Erwartung.
Von den ca 50 – 60 Familien, die wir Jahr für Jahr anschreiben, sind es am Ende, wenn’s gut läuft, knapp die Hälfte nur noch, die überhaupt reagieren.
Denn die Frage, ob es für unsere/Eur weiteres Leben auch Religion braucht, ist heute zunehmend eine umstrittene, diskutierte, kritisch bis ablehnend beantwortete Frage.
……
Als ich vor vier Wochen unsere Enkeltochter Anna getauft habe, habe ich in der Taufpredigt Fogendes gesagt:
Oft hat man ja heute den Eindruck, als wäre Religion und Glaube heute nur noch etwas für Zurückgebliebene.
„Was Du gehst echt noch in die Kirche“?
Erleben wir nicht gerade in diesen Zeiten, wie abgrundtief schädlich Religionen sind?
Wer sich heute zu einem Glauben bekennt, wird an allen Ecken belächelt oder unter Verdacht gestellt.
Auch und gerade das Christentum scheint – zumindest in unserem Teil der Welt – eine Altlast zu sein, die mehr und mehr entsorgt wird.
Und ein aggressiver, aber zum Teil eher platter Atheismus, präsentiert sich in Talkshows und träumt fordernd davon, dass die Religion grundsätzlich aus der Welt zu verschwinden hat, weil sie ja die Wurzel allen Übels,für unsere ach so aufgeklärte, fortgeschrittene Welt eine Zumutung und Volksverdummung ist.
Heute morgen, in der Konfirmationspredigt, möchte ich ganz klar dagegen halten und sagen:
Nichts braucht unsere Welt mehr als Menschen, die aus ihrer Religion, aus ihrem Glauben, Trost und Kraft, Frieden und Lebensfreude schöpfen.
Menschen, die ihren Glauben verstehen als Treibstoff für Barmherzigkeit und den Mut zum Brückenbauen.
Menschen, die Werte und Verantwortung kennen, weil sie einen Glauben haben und eine Religion.
Und die zugleich in einem guten Sinne tolerant und offen sind, um kultur- & religionsübergreifend der Welt und uns allen eine Zukunft zu geben.
……
Als Zeichen dafür stehen die Perlen des Glaubens.
Sie haben uns hier und da durch die letzten 1 ½ Jahre begleitet.
Alle sehen Sie heute morgen auf dem Titelblatt des Gottesdienstprogramms.
Ihr habt sie irgendwann im Unterricht mal gebastelt, diese Perlenkette.
Zwischendurch haben wir sie auch zur Hand genommen.
Und heute nun bekommt Ihr sie mit nach Hause.
Was wird damit passieren?
Landet sie irgenwo in der Schublade, gerät irgendwann in Vergessenheit, wird irgendwann entsorgt?
Oder gibt es Situationen, wo Ihr sie nochmal und wieder zur Hand nehmt?
Was die Perlen zu bedeuten haben, zeigt uns das Titelbild.
Wir haben darüber ansatzweise gesprochen … aber eigentlich wollen sie erst jetzt und in der kommenden Zeit von Euch so richtig entdeckt werden.
Und ich bitte uns alle jetzt, gegen den Uhrzeigersinn, einen kurzen Blick drauf zu werfen – Angefangen da, wo auf unseren Uhren ungefähr die ‘Elf’ steht:
Die ICH-PERLE mag Euch dabei am nächsten sein: Denn wer bin ich, wer will ich sein, wie sehen mich Andere, woher beziehe ich mein Selbstbewusstsein, aber auch mein Bewusstsein, dass das Leben nicht immer nur um mein „Ich“ kreist? Und wo finde ich meinen Platz im Leben?
Darauf folgt die TAUF-PERLE: Was bedeutet es – getauft zu sein? D.h. auf den Kopf zugesagt bekommen zu haben, dass ich nicht nur ein Kind meiner Eltern bin, sondern auch ein von Gott geliebtes Kind, ein wertvoller Mensch, und berufen meinen Platz zu finden in der Familie Gottes?
Die WÜSTEN-PERLE lässt uns beten in Zeiten, wo wir nicht gut drauf sind und unseren Weg suchen in Lebensphasen, wo wir -im Bild gesprochen – schwitzen und durstig sind und keinen Plan haben.
Die GELASSENHEITS-PERLE lässt uns vielleicht beten, wenn wir zornig, wütend, voller Angst, aufgeregt oder sonstwie ‘von der Rolle’ sind – und sagen: Gott, hilf mir!
Die LIEBES-PERLEN lassen vielleicht in den kommenden Jahren Raum für Fragen, die Eure Eltern erstmtal nix angehen … und die in Euren Herzen und Gefühlen sind.
Ebenso die GEHEIMNIS-PERLEN: Sie schaffen Raum für etwas, was wir niemals mit Anderen teilen würden …
Dann die PERLE DER NACHT und die PERLE DER AUFERSTEHUNG – Mit ihnen beten wir, wenn es ganz finster, verzweifelt, dunkel in uns ist – wir aber auch erfahren dürfen: ‘Hey, ich bin wieder da! Das Leben geht weiter! Ich reiss die Fenster auf – und los geht’s auf ein Neues!’“
Dazwischen die PERLEN DER STILLE, die sagen: Lass mal Dein Smartphone, nimm mal die Öhrstöpsel raus, hör mal auf chatten und zu twittern und zu facebookeln, schalt die Fernbedienung aus … Hörst Du vielleicht was, was wertvoller ist als all das?
Und schließlich die GOTTESPERLE – oben auf der Zwölf, von der aus der Zeiger dann wieder weitergeht: Wer oder was bist Du nun, Gott – von dem ich gehört hab im Konfi-Unterricht? Mit Dir will ich noch nicht fertig sein – im positiven Sinne! Dich will ich weiter erkennen, erfahren – aber auch hinterfragen dürfen! Und bestenfalls bist Du mir eine Quelle des Mutes, der Lebensfreude – aber auch der Demut und des Bewusstseins, welche Verantwortung ich habe, in diesem Leben und in dieser Welt nicht nur um mich selbst zu kreisen.
Haben Sie, die Erwachsenen, sich vielleicht auch selbst gerade wiedergefunden in ihren Fragen und mit ihrem Leben in diesen „Perlen des Glaubens“?
Dann darf ich diese Predigt schließen mit einem doppelten Schluss:
Zunächst natürlich mit dem Wunsch, dass Ihr, die Ihr heute konfirmiert werdet und die Hauptpersonen seid, Euren weiteren Lebensweg behütet und erfüllt und mit der guten Wegausrüstung des Glaubens weitergeht!!!
Aber auch wir Erwachsenen dürfen uns an diesem Tag nocheinmal fragen lassen, wie wir selbst im fortgeschrittenen Leben unterwegs sind.
Was uns trägt und – über das Auf und Ab dieses so ambivalenten, letztlich endlichen Lebens und mitten im Getriebe dieser so unsicheren Welt?
Und nicht zu frustrierten, resignierten und oder lieblosen Menschen macht.„Konfirmation“ – dieses Wort bedeutet ja „Bekräftigung“ und „Bestätigung“ von etwas, was uns mal mitgegeben wurde.
Und vielleicht stellen wir uns an diesem Morgen ja innerlich auch nochmal an die Seite derer, die da heute aktuell den Segen empfangen.
Wie auch immer – Ihr, Konfirmandinnen und Konfirmanden:
Genießt den Tag!
Geht Euren guten Weg ins Leben!
Und lasst Euch heute feiern!
In Gottes Namen – Amen.
Thomas Corzilius